Die Skinwalker Ranch - Welche Geheimnisse verbirgt sie?
GrenzwissenschaftDie Skinwalker Ranch - Welche Geheimnisse verbirgt sie?
Von Chris Dimperl
Die „Skinwalker Ranch“ ist heute ein Doppelphantom: ein realer Ort in der Uintah Basin-Ebene von Utah, eingewoben in eine fast drei Jahrzehnte alte Erzählung aus UFO-Sichtungen, Tierverstümmelungen und Poltergeistphänomenen – und zugleich ein modernes Medienprojekt mit Forschungsanspruch. Wer verstehen will, was dort tatsächlich geschah und geschieht, muss die Besitzgeschichte, die Arbeit von Robert Bigelows Forschungsteams, die Verflechtung mit einer kurzzeitig finanzierten US-Regierungsstudie und die aktuelle, medienbegleitete Forschung von Brandon Fugal auseinanderhalten – und dann wieder zusammenfügen.
Der Name „Skinwalker“ stammt aus der Navajo-Tradition: Er bezeichnet keine Sagengestalt im Sinne eines „Wolfswesens“, sondern einen schädigenden Hexer (yee naaldlooshii), dem die Fähigkeit zugeschrieben wird, sich in Tiere zu verwandeln oder sie zu beherrschen. Über diese Vorstellungen sprechen Navajo traditionell ungern mit Außenstehenden; sie sind in ein größeres Weltbild eingebettet und werden außerhalb der Kultur oft missverstanden oder popkulturell verzerrt. Dass die Ranch heute an das Land der Ute grenzt, macht die ethnografische Lage heikel: Häufig werden Ute-Erzählungen über „verfluchte Orte“ und Navajo-Konzepte von Skinwalkern miteinander vermischt, obwohl es sich um unterschiedliche Traditionen handelt. Seriöse Darstellungen betonen deshalb die kulturelle Sensibilität des Begriffs und die Vorsicht, mit der indigene Communitys über ihn sprechen.
Vor Bigelow gehörten die Ländereien über Jahrzehnte einem lokalen Ehepaar, Kenneth und Edith Myers. 1994 kaufte die Ranch das Farmerpaar Terry und Gwen Sherman, deren Berichte über seltsame Lichter, „Kugel-Phänomene“, verstümmelte Rinder und andere Unregelmäßigkeiten ab 1996 über die Deseret News erstmals größere Öffentlichkeit erhielten. Im Oktober 1996 übernahm der Unternehmer Robert T. Bigelow das Gelände; zeitgenössische Berichte nannten ihn einen „Millionär“ mit dem Plan, ein eigenes Wissenschaftsteam zu stationieren. Diese frühe Chronologie – Myers, dann Shermans (1994–1996), dann Bigelow (1996–2016) – ist durch lokale Presseberichte und Zusammenfassungen gut belegt.
Was tat Bigelow auf der Ranch? Kurz: Er professionalisierte das Beobachten. Noch 1995 hatte er das „National Institute for Discovery Science“ (NIDS) gegründet – eine privat finanzierte Einrichtung, die anomale Phänomene mit wissenschaftlichen Mitteln untersuchen sollte. Nach dem Kauf der Ranch stationierte NIDS dort Personal, richtete Überwachungstechnik ein und dokumentierte über Jahre Vorfälle – vom Lichtphänomen bis zur Tierpathologie. Eine zentrale Quelle für Methoden, Fälle und Grenzen dieser Arbeit ist das Buch „Hunt for the Skinwalker“ (2005) von Colm A. Kelleher (NIDS) und Journalist George Knapp; es zeichnet das Bild eines aufwändigen, aber evidenzseitig widerspenstigen „Feldlabors“, in dem sich robuste, publikationsfähige Messdaten nur selten einfingen. Zeitdiagnosen aus seriösen Medien bestätigen Bigelows langjährige, systematische, aber eben auch frustrierende Bemühungen.
Ab 2008 bekam Bigelows Umfeld eine zweite, entscheidende Rolle – diesmal nicht mehr als NIDS, sondern über die Firma Bigelow Aerospace Advanced Space Studies (BAASS) als Hauptauftragnehmer einer vom US-Verteidigungsnachrichtendienst (DIA) finanzierten Studie: dem „Advanced Aerospace Weapon System Applications Program“ (AAWSAP). Eine freigegebene DIA-Unterlage dokumentiert die vertragliche Lage, Leistungsberichte und die Vielzahl gelieferter Studien; journalistische Rekonstruktionen fügen hinzu, dass BAASS neben globalen UAP-Fällen auch medizinische Effekte bei Zeugen untersuchte und in Las Vegas Räumlichkeiten für die Lagerung von „Materialproben“ herrichtete – Aussagen, die damals für erhebliche Aufmerksamkeit sorgten. Wichtig ist die Trennung der Begriffe: AAWSAP war der breite, DIA-geführte Forschungsrahmen, aus dem später in der Öffentlichkeit oft die schmalere Bezeichnung AATIP herausgelöst wurde. Dass AAWSAP existierte, BAASS der Auftragnehmer war und die Leistungserbringung positiv bewertet wurde, ist heute aus Primärquellen nachvollziehbar; was diese Arbeiten wissenschaftlich belegt haben, ist eine andere Frage.
„Wie war die US-Regierung darin verwickelt?“ – Finanziell und organisatorisch zwischen 2008 und etwa 2010/2012 über die DIA-Schiene von AAWSAP, auf den Weg gebracht von Senator Harry Reid mit parteiübergreifender Rückendeckung. Das Programm selbst ist seit 2017 öffentlich dokumentiert; dazu zählen große Medienberichte und, inzwischen noch wichtiger, systematische Rückblicke der Regierung. So kam die 2024 veröffentlichte „Historical Record Report“ des AARO (dem heutigen UAP-Büro im Pentagon) zu dem nüchternen Befund, dass in der Gesamtschau der Regierungsakten – inklusive der jüngeren Programme wie AAWSAP/AATIP – keine belastbaren Belege für nicht-menschliche Technologie oder eine vertuschte Rückentwicklung existieren. Das schmälert nicht die Tatsache, dass AAWSAP real war und empirisch arbeitete; es relativiert aber weitreichende Deutungen.
Welche Forschung betrieb Bigelow konkret? In der NIDS-Phase: stationäre und mobile Beobachtung, Video-/Fotoüberwachung, Tierpathologie, Interviews, punktuell instrumentierte Messkampagnen – breit, aber in der Regel ortsgebunden und oft reaktiv. In der AAWSAP-Phase via BAASS: ein förmlicher Regierungsauftrag mit zwei Strängen – einerseits klassische „Aerospace Threat“-Analysen und Theoriestudien (die bekannten „Defense Intelligence Reference Documents“), andererseits Felduntersuchungen zu UAP-Berichten und zu behaupteten medizinischen Effekten. Dass AAWSAP Skinwalker-Erfahrungen und – in Publikationen ehemaliger Beteiligter – den sogenannten „Hitchhiker-Effekt“ (Phänomene, die Beobachter angeblich „mit nach Hause“ nehmen) thematisierte, ist gut belegt; gerade diese Deutungen sind aber außerhalb der Projektkreise umstritten geblieben.
Wem verkaufte Bigelow die Ranch? 2016 ging das Eigentum an die in Delaware registrierte Adamantium Real Estate LLC über; 2020 outete sich der Utah-Unternehmer Brandon Fugal öffentlich als wirtschaftlich Berechtigter. Seriöse Porträts und Interviews bestätigen sowohl die Transaktion als auch Fugals Motivation, das Gelände mit einem Technik-Team neu zu untersuchen – zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit, bald darauf in Kooperation mit dem History-Channel-Format „The Secret of Skinwalker Ranch“.
Die History-Channel-Serie „The Secret of Skinwalker Ranch“ begleitet seit 2020 ein kleines Team um Fugal, Travis Taylor und Erik Bard bei Experimenten – vom Bodenradar über Drohnen-Thermografie bis zu Raketenstarts –, die wiederholt „Anomalien“ nahe einer bestimmten Luftraumhöhe andeuten sollen. Parallel arbeitet Fugal mit regionalen Partnern wie dem Hutchings Museum Institute zusammen, um Umwelt- und Kulturgeschichte des Ortes zu dokumentieren. Die Verbindung aus laufender Forschung, Reality-TV-Dramaturgie und strengen Zutrittsregeln festigt den Status der Ranch als Mythos unserer Gegenwart. Unter Fugal entstand ein modernisiertes „Command Center“, ein engmaschiger Sensormix und eine Folge von Eingriffsexperimenten: hochaufgelöste Vermessung (u. a. Lidar), Bodenradar und Bohrkerne im Bereich der Mesa, meteorologische und elektromagnetische Messreihen, Raketen-, Drohnen- und Ballonstarts in einem definierten „Hotspot“ über dem sogenannten Triangle, punktuell auch leistungsstarke Hochfrequenz-Emissionen. Der mediale Rahmen der Serie ist offensichtlich, aber die Testarchitektur ist in den Grundzügen transparent beschrieben und logistisch anspruchsvoll. Ob Wärme-, Strahlungs- oder Funkanomalien, ob GPS-Fehler oder visuelle Beobachtungen – vieles wird öffentlich präsentiert, die Rohdaten bleiben jedoch weitgehend proprietär. Das Team spricht von Anzeichen tieferliegender Strukturen in der Mesa und wiederkehrender Luftphänomene; skeptische Stimmen mahnen, dass reproduzierbare, peer-review-fähige Veröffentlichungen bislang fehlen. Beides ist wahr.
Zieht man nun die Linien zusammen, ergibt sich ein nüchternes Bild: Die Ranch ist seit den 1990er-Jahren ein Magnet für UAP-Erzählungen und ein Testfeld für Beobachtungsforschung. Bigelows NIDS professionalisierte das Monitoring, ohne die große, publizierbare Evidenz zu liefern. Die spätere Regierungsverflechtung via AAWSAP war real, methodisch breit und historisch bedeutsam, blieb in ihren spektakulären Deutungen aber nicht belastbar genug, um dem heutigen AARO-Befund zu widersprechen. Der Eigentümerwechsel zu Adamantium/Fugal brachte neue, technisch ambitionierte Experimente und eine beachtliche Öffentlichkeit – eine Kombination, die Aufmerksamkeit generiert, aber den Maßstab guter Wissenschaft dadurch nicht senkt: Hypothesen müssen testbar, Befunde reproduzierbar, Daten zugänglich sein. Wer die Ranch seriös einordnet, kann darum zweierlei zugleich festhalten: dass dort über Jahre mit Aufwand gemessen und getestet wurde – und dass die harte, unabhängige Bestätigung außerordentlicher Erklärungen weiter aussteht.
Für die historischen Ankerpunkte – Besitzfolge, frühe Presseberichte, Bigelows Einstieg – liefern die zeitgenössischen Artikel aus Utah und Nevada, ergänzt um heutige Zusammenfassungen, ein konsistentes Korsett. Für die Regierungsverflechtung sind die freigegebenen DIA-Unterlagen zum AAWSAP-Vertrag und die AARO-Gesamtschau entscheidend. Und für das aktuelle Team sind die offiziellen Darstellungen und mehrere seriöse Porträts maßgeblich, die Motive und Methoden beschreiben, ohne ihnen vorzugreifen. Am Ende bleibt die Ranch, was sie seit 1996 ist: ein Ort, an dem Menschen mit wissenschaftlichem Anspruch versuchen, eine Erzählung zu prüfen, die größer ist als jeder einzelne Messwert – und deren Wahrheitsgehalt sich am Ende an Daten, nicht an Mythen entscheiden muss.
Quellenhinweise (Auswahl): Deseret News-Berichte (1996–1998) und Las Vegas Sun zur frühen Eigentümer-/Forschungslage, Kelleher/Knapp „Hunt for the Skinwalker“ (2005) für NIDS-Arbeit, DIA-FOIA-Dokumente zum AAWSAP-Vertrag (BAASS) und AARO-Report 2024 als Regierungsreferenzen, sowie Vice/Newsweek/History für Eigentümeroutings und aktuelle Teamaktivitäten.

Forscher, Programmierer, Technikbegeistertes Mitglied des CCC - Chaos Computer Club: Bisher habe ich immer nur Wissen gesammelt. Gerade die Arbeit an UFOBase und Abductionbase habe Unmengen an Datenmaterial hervorgebracht. Auch meine kurze aber sehr intensive Arbeit bei MUFON-CES hat viele neue Erkenntnisse zu Tage gefördert. Hier nun möchte ich einige dieser Geschichten und Daten weitergeben, so dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Einige dieser Geschichten kann man nicht rationell erfassen oder mit den Mitteln unserer Wissenschaft greifen oder begreifbar machen. Es liegt an uns, was wir daraus machen. Wie sagte Mulder einst so schön? MULDER: Also, wenn uns die konventionelle Wissenschaft keine Antworten bietet, müssen wir uns dann am Ende nicht doch dem Fantastischen als Möglichkeit zuwenden? In diesem Sinne wünsche ich Ihnen kurzweilige Stunden hier auf dieser Seite.
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